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Das Virus und der Rubikon

Veröffentlicht am
11. Jänner 2021
Lesezeit
3 Minuten Lesedauer

Den meisten Anlegern ist bewusst, dass dank der extrem lockeren Geldpolitik und des Beginns der COVID-19-Impfkampagne die Aussicht auf eine in wenigen Monaten einsetzende Konjunkturerholung besteht. Das ist für die Aktienmärkte überaus günstig.

Diese Feststellung erklärt nicht nur den allgemein herrschenden Optimismus, sondern erinnert auch an die Schlussbeobachtung von Carmignac’s Note im Januar 2020, wo es hieß: „Die Märkte sind noch im Rausch der Jahresenddynamik und somit zunehmend verwundbar“.

Die sehr einheitliche Positionierung der Anleger am Anfang des neuen Jahres bereitet uns daher Sorgen. Obwohl wir in Bezug auf die Aktienmärkte auf kurze Sicht optimistisch sind, drehen sich unsere mittelfristigen strategischen Überlegungen um die sich nun andeutenden Spannungen: Zum einen zwischen dem aus wirtschaftlicher Sicht positiven Einfluss, den eine für ihr umfangreiches Konjunkturprogramm gewählte demokratische Mehrheit hat, und zum anderen den Ungleichgewichten, die potenziell mit diesem Szenario verbunden sind. 2021 könnte ein komplexeres Jahr für die Märkte werden, als offenbar allgemein angenommen wird.

„An die Realität wird man erinnert, wenn man sich stößt“ (Jacques Lacan)

Die Ankündigung der ersten Impfstoffe im November letzten Jahres und die ersten Impfungen markierten den Beginn einer neuen Marktphase, nämlich der Aussicht auf ein Ende der Krise. Sobald die Impfkampagnen eine kritische Masse erreichen, könnten die Verbraucher das Vertrauen – und die Erlaubnis – zurückerlangen, ihre Konsumwünsche zu erfüllen.

In der Realität gestalten sich die Fortschritte jedoch außerordentlich schwierig. Angesichts logistischer Probleme, Impfvorbehalten der Bevölkerung, der schwierigen Frage der Reihenfolge der Impfungen, des unterschiedlichen Tempos der einzelnen Länder und neuer Varianten des Virus rückt die Aussicht auf eine Rückkehr zur Normalität immer weiter in die Ferne. In diesem Umfeld steigt die Gefahr, dass die Ausgangsbeschränkungen erneut verschärft werden, und gleichzeitig zieht sich diese immer noch sehr schwierige Phase weiter in die Länge.

Solange die Staaten und die Zentralbanken ihre Unterstützungsmaßnahmen im entsprechenden Umfang fortsetzen, stellt dies nicht unbedingt ein Risiko für die Marktentwicklung dar. Es bestärkt uns jedoch darin, an unserer Art des Portfolioaufbaus festzuhalten, bei der wir Aktien mit hoher Transparenz bevorzugen.

Aussicht auf einen mittelfristigen Kurswechsel der Märkte

Seitdem die Demokraten die Mehrheit im US-Senat stellen, ist das Inflationsrisiko und mithin ein möglicher Rückgang des US-Dollar wieder ein Thema. Allerdings hängt von den Zinssätzen bis zu den Aktienbewertungen heute alles von der zukünftigen Inflation ab. Daher bietet sich eine genauere Betrachtung des Themas an.

Die Demokraten dürften auf jeden Fall die Umsetzung der von Joe Biden versprochenen Maßnahmen verlangen, einschließlich der „fortschrittlichsten“. Dabei sollte man jedoch immer bedenken, dass sie bei jeder Abstimmung auf die Stimmen der gemäßigten Abgeordneten angewiesen sind. Folglich erwarten wir 2021 zwar einen weiteren umfangreichen haushaltspolitischen Anreiz, halten es aber für wenig wahrscheinlich, dass die radikalsten Punkte des Wirtschaftsprogramms umgesetzt werden.

Im Übrigen besteht aufgrund der demografischen Entwicklung und der technologischen Umbrüche nach wie vor ein hoher struktureller Disinflationsdruck. Folglich ist das Risiko eines Inflationsanstiegs 2021 aus unserer Sicht begrenzt, wenn man von einem spürbaren, aber definitionsgemäß vorübergehenden Basiseffekt absieht.

Diese Aussicht sagt jedoch nichts über die langfristigen Tendenzen aus. Schließlich haben die Regierungen und Zentralbanken, vor allem in den USA, 2020 den Rubikon überschritten. Von nun an wird es politisch und gesellschaftlich äußerst schwierig sein, den bereits angelaufenen Trend zu mehr staatlicher Einmischung in die Wirtschaft umzukehren.

Durch die demokratische Mehrheit im Kongress ist es zweifellos wahrscheinlicher geworden, dass das vor 40 Jahren, in der Ära Reagan-Thatcher, eingeführte Wirtschaftsmodell der Deregulierung und Senkung der Steuerlast – kurz gesagt: des Rückzugs des Staates – dauerhaft in Frage gestellt wird. Die künftige US-Finanzministerin Janet Yellen hat ihre sehr keynesianische Sichtweise in dieser Hinsicht nie verheimlicht. Diese neue Wachstumsphilosophie könnte naturgemäß zu einer bewussten Politik der Umverteilung des Reichtums zugunsten der Löhne führen. Eine derartige Neugewichtung wäre günstig für eine Trendumkehr bei Produktivität und Inflation. Um darauf vorbereitet zu sein, halten wir beispielsweise Positionen in verschiedenen zyklischen Sektoren in den USA oder in Goldminen.

Ein 40 Jahre alter Trend sollte nicht blind verurteilt werden und vorerst herrscht wirtschaftliche Ungewissheit, vor allem in Europa. Abschließend sei angemerkt, dass 2020 nur China nicht der allgemeinen Tendenz zur Flucht nach vorne gefolgt ist. Das Land hat nicht nur die Pandemie in den Griff bekommen und auf eine ungezügelte Geldschöpfung verzichtet, sondern gezwungenermaßen auch gelernt, sich von den USA „abzukoppeln“. Daher finden wir auf diesem Markt zurzeit einen großen Teil unserer auf Überzeugungen basierenden Anlagen.

Unsere allgemein ausgewogenen Portfolios und ein entschlossener, aktiver Anlageprozess dürften im Jahr 2021, das sich als komplex und somit chancenreich erweisen könnte, erneut wertvolle Instrumente für unsere Fonds darstellen.

Quelle: Carmignac, Bloomberg, 31/12/2020

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